Dafür konnte Sven Schmidt gewonnen werden. Er begleitete die jungen Menschen bei ihrem Lernpensum und unterstützte bei der Wohnungssuche, arrangierte Praktika für die sprachlich noch unsicheren Schüler und stand ihnen auch in persönlichen Belangen mit Rat zur Seite. Der Bedarf an Gesprächen war groß. Aus zunächst nur einem geplanten Jahr wurden vier Jahre. Inzwischen sind diese Integrationsklassen stark geschrumpft, so dass die Tätigkeit zum 31. Juli 2020 ausläuft.
Wieviel Sven Schmidt bei den Jugendlichen bewirken konnte, zeigt der Bericht von Salma und Lama Lakmoush. Die beiden Zwillinge waren aus Syrien bei Ausbruch des Krieges geflohen und konnten nach einer schweren Zeit gerade ihre Abiturprüfungen ablegen. Bei einem persönlichen Treffen berichteten sie uns:
꜠Als wir aus Syrien geflohen sind, standen wir knapp zwei Monate vor unserem Schulabschluss. Durch den Krieg waren wir gezwungen eine harte und kurzfristige Entscheidung zu treffen. Ein Stück unseres Herzens ist in unserer Heimat geblieben. Einige geliebte Menschen, wie unsere Oma und unseren Bruder, mussten wir in Syrien zurücklassen – das hat uns sehr traurig gemacht. Als wir in Deutschland ankamen, haben wir erfahren, dass einige Bekannte getötet worden sind, das war schrecklich.
Hier in Deutschland standen wir vor schwierigen Herausforderungen. Wir haben viel geweint, aber letztlich haben wir alles überstanden. Eine der wohl größten Anforderungen war das Erlernen der deutschen Sprache. Auch die Gegebenheiten des neuen Landes, seine Regeln, die für uns neue Kultur und die Denkweise der Menschen waren anfangs schwierig für uns. Doch wir haben alle diese Herausforderung angenommen und konnten uns so nach und nach immer besser integrieren. Anfangs besuchten wir die Berufsschule in Hildburghausen, um die Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu erlernen. Eigentlich wollten wir sofort das Gymnasium besuchen. Das war aber aufgrund unserer damals noch schlechten Sprachkenntnisse zunächst nicht möglich.
Im Rahmen einer Familienzusammenführung sind wir einige Monate später nach Wuppertal gezogen. Dort trafen wir nach eineinhalb Jahren der Trennung endlich unsere Mutter und unseren Bruder wieder. Wir kamen in eine neue Schule und konnten einen Sprach- und Wissenstest bestehen, der uns die Aufnahme am Bergischen Weiterbildungskolleg der Stadt Wuppertal ermöglicht hat. Damit stand uns der Weg zum Abitur offen. Nach einem sechsmonatigen Vorbereitungssemester, in dem insbesondere die deutsche Sprache, Englisch und Mathematik gelehrt wurden, konnten wir in die 10. Klasse des Gymnasiums aufgenommen werden. Eineinhalb Monate vor unseren Abiturprüfungen brach dann die Corona-Epidemie aus. Das hat uns das Lernen sehr erschwert. Die vielen widersprüchlichen Informationen und Spekulationen haben uns sehr beunruhigt. Trotzdem konnten wir vor wenigen Tagen unsere Prüfungen zum Abitur bestehen und unseren Traum verwirklichen. Ohne Unterstützung wäre das alles nicht möglich gewesen. Besonders dankbar sind wir Sven Schmidt, unserem Sozialarbeiter, der uns während der ganzen Zeit zur Seite gestanden hat.
Die Zwillinge danken auch dem Lehrerteam des Bergischen Kollegs und Jouhaina Müller von NAK-karitativ. Dankbar sind sie natürlich auch ihren Eltern und allen Menschen, die an sie während dieser schwierigen Zeit geglaubt haben.
Zum Abschluss des Gesprächs wünschen sich beide, dass jeder Mensch seine Träume verwirklichen kann und eines Tages auch in den arabischen Länder Frieden einkehrt. Gerne würden sie einmal in ihre Heimat zurückkehren und mithelfen, ihr Land wiederaufzubauen. Bis es soweit ist, bedarf es noch vieler helfender Hände.
Projektnummer: 2015-018 «Flüchtlingshilfe Deutschland»