Eine Renten- beziehungsweise Pflegeversicherung wie in Deutschland kennen die Menschen in Jordanien nicht. Für gewöhnlich wird über das 65. Lebensjahr hinaus gearbeitet, da häufig die Rente nicht für einen normalen Lebensstandard ausreicht. In der Regel haben Menschen in Jordanien, die älter als 55 Jahre alt sind, beziehungsweise mit Einschränkungen oder Behinderungen zu tun haben, große Probleme einen Arbeitsplatz zu bekommen. Da ihre Mobilität eingeschränkt ist und sie keinen Zugang zu Service- und Informationseinrichtungen haben, sind sie per se unsichtbar für die Behörden und erhalten keine Sozialhilfe.
Durch die hohe Anzahl der Geflüchteten aus den Krisenländern wie Syrien, Irak und dem Jemen verschärfen sich diese Probleme. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch viele ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen, die zum Überleben eine bezahlte Stelle benötigen. Ein Großteil jedoch wird von der jordanischen Gesellschaft ausgegrenzt und hat Schwierigkeiten eine Arbeitserlaubnis in Jordanien zu erhalten.
Dazu kommt, dass die Infrastruktur in Amman und in der Umgebung nicht alten- und behindertengerecht ist. Es gibt keine vernünftigen Absenkungen für Bordsteine, Geländer zum Festhalten, keine Rampen für Rollstuhlfahrer und schlecht begehbare sanitäre Anlagen. Der Beschaffung von Medikamenten und der Zugang zu medizinischen Einrichtungen sind somit für viele ältere Menschen äußerst beschwerlich. Dies hängt damit zusammen, dass die Betreuung und Pflege betagter bzw. behinderter Menschen ein wenig beachtetes Thema in der Gesellschaft ist. Viele jüngere Menschen haben keine oder wenig Kenntnisse um betagte Menschen zu betreuen oder zu pflegen. Dementsprechend kommt häufig die Hilfe für diesen Teil der Bevölkerung zu kurz.
Gezielte Maßnahmen für ältere und bedürftige Menschen
Durch die Flüchtlingskrise in Syrien sah sich HelpAge Deutschland e.V. veranlasst, in Amman ein zweijähriges Projekt zu starten, das eine Laufzeit von zwei Jahren hat. NAK-karitativ sowie die Hilfswerke German humanitarian assistance und Aktion Deutschland Hilft unterstützen HelpAge seit Beginn in 2017 mit finanziellen Mitteln. In dem Schulungscenter, das am 27.Juni 2018 von den Förderern und der Ministerin für Soziales, Hala Basiso in Amman eröffnet wurde, sollen 20 Trainer ausgebildet werden. Die Trainer wiederum werden nach ihrem Lehrgang insgesamt 200 Teilnehmer aus 25 verschiedenen Organisationen und Behörden der humanitären Einrichtungen schulen. Diese können mit ihren Kenntnissen direkt vor Ort ältere Menschen mit Einschränkungen betreuen und in lebenswichtigen Fragen beraten.
Konkret erlangen die Teilnehmer in den Seminaren grundlegende Kenntnisse über den Umgang und der Betreuung von altersschwachen Menschen. Sie werden darauf sensibilisiert, welche Herausforderungen der Alltag für altgewordene Menschen mit sich bringt und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um ihnen einen Zugang zur Gesellschaft und medizinischer Versorgung zu ermöglichen. Zielführend soll ein Umfeld geschaffen werden, in dem diese Altersklasse durch Schulungen und Gruppenarbeit mit Praxis aus dem Lebensalltag, die Möglichkeit bekommt, Geld zu verdienen und ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu führen. Es gibt beispielsweise für ältere Menschen Kurse, in denen ihnen beigebracht wird, wie sie für wenig Geld gesund und reichhaltig kochen können.
Zum einen zielt das Projekt darauf, dass alte und bedürftige Gruppen einen festen Platz in der jordanischen Gesellschaft bekommen und sich ihre wirtschaftliche Situation verbessert. Den Weg dahin bilden Schulungen für lokale Organisationen sowie existenzsichernde Maßnahmen, zur direkten Unterstützung der Zielgruppe. Dies ermöglicht es auch, dass es in den Haushalten künftig vermehrt behindertengerechte sanitäre Anlagen gibt. Somit entsteht in der jordanischen Gesellschaft eine Toleranz für das Älterwerden und ein menschenwürdiges Dasein wird geschaffen. Ferner fördert die Symbiose zwischen Jung und Alt auch die Integration verschiedener Altersgruppen und anderer Ethnien wie Syrern und Irakern in der jordanischen Gesellschaft. Probleme der Ausgrenzung beziehungsweise Isolation können somit auf ein Minimum reduziert werden.