Yura, 15 Schafe und 11 Lämmer
Yuras Bruder holt uns mit einem alten Lada Niva an der Kreuzung kurz vor der georgischen Grenze in Armenien ab. Von hier aus geht es über verwinkelte und löchrige Straßen zu Yuras Haus. Kaum angekommen, können es die beiden Männer kaum abwarten uns den Stall zu präsentieren: 11 scheue und bauschige Lämmer erwarten uns, gerade ein paar Wochen alt. Yuras Bruder strahlt. Er ist stolz auf Yura, der seine Chance, bekam, genutzt hat und sich nun über seinen Erfolg freut.
„Als ich erfahren habe, dass ich von euch 15 Schafe bekomme, habe ich die ganze Nacht nicht schlafen können. Ich war so aufgeregt. Ich konnte nicht begreifen, dass mir fremde Menschen Schafe schenken. So etwas passiert einem nur einmal im Leben.“, erzählt uns Yura später bei einer Tasse Kaffee. Er will seine Herde nach und nach erweitern und wird nur wenige Lämmer verkaufen, für die er im Schnitt 50 Euro bekommt.
Roza, die Konditorin
Der Empfang bei Roza ist nicht minder herzlich. Gastfreundschaft zählt zu den ausgeprägten Eigenschaften der Armenier. Ohne einen Kaffee oder einen selbstgemachten Saft zu trinken, kann man kaum ein Haus verlassen. Rozas dreijähriger Sohn mag uns gar nicht loslassen. Erst das selbst gemachte Gebäck seiner Mutter bringt ihn auf andere Gedanken. Die alleinstehende junge Frau wurde mit Küchenutensilien, Backöfen, dem Zugang zu warmen Wasser und nicht zuletzt einer Ausbildung zur Konditorin unterstützt. Sie lebt zusammen mit ihrer Mutter und dem Sohn in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung. Hier backt sie nun alle paar Tage Gebäcke und Kuchen. Den variablen Ofen muss sie nach jedem Backen wieder sauber einpacken, um Platz zum Wohnen zu schaffen. Als Abnehmer hat Roza bereits zwei Geschäfte, die ihre Ware verkaufen. So verdient sie etwa 40 bis 50 Euro pro Monat. 40 Euro bedeuten für sie bereits eine Einkommenssteigerung um 50 Prozent, so wenig hatte sie vorher.
Sargis ist stolz auf seine Hühner
Vorsichtig schaut er nach links und rechts bevor er den Code in das Zahlenschloss eingibt, das dafür sorgt, dass seine Hühner sicher sind. Die 45 Hühner sind Sargis persönlicher Schatz geworden. Wie viele der frisch gebackenen Hühnerhalter hat auch er über den Winter hinweg einige Hühner verloren. Der Winter war sehr hart und lang. Im Winter haben Sargis Hühner etwa 20 Eier pro Tag gelegt. Sobald es wärmer wird, wird sich diese Zahl fühlbar erhöhen. Feste Abnehmer für die Eier hat er bereits: Einen Teil der Eier verkauft er einem Einzelhändler und einen anderen Teil verkauft er zum Ausbrüten. Pro Ei bekommt er umgerechnet 12 Cent.
Nune – selbstständig mit Fingernagelkunst
Die junge Mutter lebt im sogenannten „Amerikanischen Viertel“. Eine Gegend, die nach einem schweren Erdbeben in der Tawusch-Region Ende der 90er für die Erdbeben-Opfer erbaut wurde. Ihre kranke und gebrechliche Mutter lebt weiter oben in der Stadt. Ihrer Tochter hat sie in der kleinen Wohnung einen Platz für ihr Maniküre-Equipment zur Verfügung gestellt. So kann Nune Geld verdienen, sich um ihren Sohn kümmern und hat noch einen Blick auf die Mutter. 50 Euro verdient Nune monatlich mit Maniküre und Haarentfernung.
Noch im September befand sich ihr Mann als Tagelöhner in Russland. Jetzt arbeitet er beim Militär an der Grenze zu Aserbaidschan – sein Vertrag endet im August. Die Familie wünscht sich nichts mehr als wieder zusammen zu leben. Nune: „Wenn ihr meinem Mann ein paar Hühner geben könntet, kann er vielleicht bald ganz bei uns bleiben. Den Stall kann er selbst bauen.“ Der Familie soll geholfen werden.
Lusntag, Anush und Naira – die Friseurinnen
Die drei Frauen hatten einen Wunsch: Als Friseurinnen arbeiten. Lusntag und Anush haben nun ihren eigenen kleinen Salon. Es wird noch etwas dauern bis etwas übrig bleibt, die anfallenden Kosten können durch die Einnahmen bereits jetzt gedeckt werden. Der Kundenstamm erhöht sich von Monat zu Monat. Naira hatte besonderes Glück: Nach der von NAK-karitativ organisierten Ausbildung wurde sie von der Ausbilderin übernommen; sie ist überglücklich. Jetzt kann die bei ihrer Schwester lebende Frau ihre Kinder allein ernähren. Sie teilt ihr Schicksal mit vielen Frauen: Der Mann arbeitet in Russland und Geld schicken viele Männer nur unregelmäßig.
Fortsetzung
Das Pilotprojekt zeigt nachhaltige Ansätze. Das wurde uns von vielen Seiten bestätigt. Die meisten Projektteilnehmer lebten zuvor von etwa 80 bis 100 Euro im Monat und hielten sich durch Tauschgeschäfte mit Nachbarn über Wasser. Ihr Einkommen haben fast alle Begünstigten nach nunmehr fünf Monaten bereits um 30 - 50 Euro pro Monat verbessern können, ein paar von ihnen sind noch auf dem Weg. Das liegt zum Teil auch an den unterschiedlichen „Anlaufzeiten“.
NAK-karitativ weitet das Projekt in 2017 auf weitere Regionen Armeniens aus.